Mangelnde Standards zur EU-weiten Korruptionsbekämpfung

Dieser Artikel erschien am 06. März 2014 auf EurActiv.de

Regelmäßig beklagt die EU-Kommission die mangelnden Fortschritte Rumäniens im Kampf gegen die Korruption. Rumänien ist jedoch kein Einzelfall. In der EU wird der durch Korruption verursachte Schaden auf 120 Milliarden Euro beziffert. EU-weite Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung scheitern bisher am Widerstand der Mitgliedsstaaten.

Der Anfang Februar von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström veröffentlichte Kommissionsbericht zur Bekämpfung der Korruption in den EU-Mitgliedsstaaten beziffert den Gesamtschaden, der der EU-Wirtschaft zugefügt wird, auf jährlich 120 Milliarden Euro. Drei Viertel aller EU-Bürger sind Umfragen zufolge der Meinung, dass Korruption in ihrem Heimatland weit verbreitet ist.

Um Korruption im öffentlichen Sektor effektiv einzudämmen sind laut dem grünen Europaabgeordneten Jan Philipp Albrecht Transparenzregeln nötig, die hart kontrolliert werden. „So kann eine öffentliche Kontrolle und Sanktionierung erfolgen. Aber natürlich müssen endlich auch die Grundregeln zur Korruption überall in der EU umgesetzt werden. Deutschland zum Beispiel hat noch immer nicht die UN-Konvention zur Korruptionsbekämpfung umgesetzt“, sagt Albrecht gegenüber EurActiv.de. Laut Malmström sei nicht geplant, entsprechende Vorschriften zeitnah zu erlassen. Vielmehr solle der nächste Kommissionsbericht in zwei Jahren abgewartet werden.

Während Deutschland relativ gute Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung bescheinigt werden, mangele es dem Kommissions-Bericht zufolge in anderen Ländern wie beispielsweise Rumänien an politischem Willen, um das Problem ernsthaft anzugehen. 93 Prozent der rumänischen Bevölkerung gaben an, dass die Korruption in ihrem Land weit verbreitet sei. Zum Zahlen von Bestechungsgeldern aufgefordert wurden 25 Prozent der Befragten. Der EU-Durchschnitt liegt bei 4 Prozent.

Bestechung, Verleumdung, Rechnungsfälschung

Besonders anfällig ist laut Kommission der Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe. Die in Rumänien tätige Mitarbeiterin einer Risikoberatungsfirma bestätigt das gegenüber EurActiv.de: „Intransparente öffentliche Ausschreibungen, denen beispielsweise nur eine einzige Firma gerecht werden kann und manipulierte Vergabeentscheidungen, bei denen sich zwar mehrere Firmen bewerben, die allerdings einer Person gehören, lassen die Korruption im öffentlichen Sektor Rumäniens enorm ansteigen. Die Praktiken angewandter Korruption reichen von Bestechung über die Abrechnung erfundener Dienstleistungen oder die Beschäftigung erfundener Subunternehmer, Rechnungsfälschung, Verleumdungskampagnen und Erpressung.“

Ein gängiges Mittel der Veruntreuung öffentlicher Gelder ist der so genannte Kick-Back. Bei diesem Verfahren geht ein öffentlicher Auftrag zu einem überhöhten Marktpreis an eine Firma, die dem Auftraggeber aus dem öffentlichen Sektor die Differenz zum tatsächlichen Marktpreis im Nachhinein zurück überweist. Die Differenz kann bis zu 25 Prozent des eigentlichen Auftragsvolumens umfassen. In den meisten Fällen erfolgt diese Rückzahlung nicht direkt, sondern das Geld kann in ein Steuerparadies fließen und sich so der direkten Kontrolle entziehen.

Enorme gesellschaftliche Folgekosten

Die gesellschaftlichen Folgekosten seien laut der Beratungsfirma ein mangelndes Vertrauen in die Justiz und die sich durchsetzende Auffassung, dass sich qualitative Arbeit nicht lohnt, wenn man Erfolge auch durch die Zahlung von Geldbeträgen erreichen kann. Hierbei könne es sich auch um ein generelles Mentalitätsproblem der politischen und wirtschaftlichen Elite handeln, die Geldzahlungen als legitimes Mittel erachtet, um Ziele zu erreichen. Lethargie und Wut in der Bevölkerung würden irgendwann in Akzeptanz und Anpassung an die Verhältnisse umschlagen. Mangelnde soziale Stabilität und Sicherheit habe die steigende Bereitschaft, geldwerte Vorteile anzunehmen zur Folge.

Auch die Nationale Anti-Korruptionsagentur Rumäniens könne schwerlich etwas ausrichten. Zwar wird die Behörde in den Kreisen der zitierten Beratungsfirma als relativ integer eingeschätzt, jedoch ist sie selbst kein Justizvollzugsorgan. Sie kann die Erkenntnisse nur an die entsprechenden Behörden weiterleiten. An den vielen Stellen, die passiert werden, bevor ein Tatbestand vor Gericht landet, gibt es zudem für die entsprechenden Interessensgruppen genügend Möglichkeiten zur Einflussnahme.

Für die Bevölkerung ist die Alltagskorruption hingegen direkter erfahrbar. Wenn ein Mensch den Arzt oder die Krankenschwester extra bezahlen muss, damit sie sich um einen verwandten Patienten kümmern, betrifft das die Lebenswelten der Bevölkerung viel mehr als Korruptionsfälle in der Wirtschaft.

Rumänien nicht Schlusslicht in der EU

Als Grund für die weit verbreitete Korruption wird gemeinhin die Länge des Transitionsprozesses identifiziert. Dies äußert sich heute in einer engen Verknüpfung der Politik mit der Wirtschaft, einem schwachen Justizapparat und einer leicht beeinflussbaren Medienlandschaft, die sich zumeist in der Hand von Wirtschafts- und Politikvertretern befindet. Dieser Umstand ist jedoch nicht ausschließlich ein rumänisches Phänomen. In dem Korruptionswahrnehmungsindex 2013 von Transparency International liegen Italien und Rumänien auf einer Stufe, mit Bulgarien und Griechenland rangieren zwei EU-Staaten sogar weit dahinter.

Kommission bisher nicht tätig

Im September 2013 legte der Sonderausschuss des EU-Parlaments für Organisierte Kriminalität, Korruption und Geldwäsche (CRIM) seinen Abschlussbericht vor, der direkte Forderungen an Kommission und Rat enthielt, einen Aktionsplan aufzustellen, um Korruption effektiv zu bekämpfen.

Der Europaabgeordnete Albrecht bedauert als Mitglied des CRIM-Ausschusses, dass die Kommission hier noch nicht tätig geworden sei. „Greifbare Ergebnisse sind erst im kommenden Jahr zu erwarten, denn die Verfahren zur Schaffung von EU-Standards für die Straf- und Ermittlungsmaßnahmen werden regelmäßig von den Mitgliedstaaten verzögert“, sagt der Europaabgeordnete. Als Grund für diese Blockadehaltung sieht Albrecht den Wunsch der Nationalstaaten nach Bewahrung des eigenen Rechts. Eine gemeinsame europäische Perspektive sei jedoch nötig, um eine polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit zu entwickeln.

Grenzübergeifende Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg

Ein Anti-Korruptionsgesetz nach Vorbild des britischen UK Bribery Act oder dem US-amerikanischen Foreign Corruption Practices Act sieht Albrecht zwar als sinnvoll an – zumal gerade in den USA Verstöße mit viel höheren Strafen als in der EU geahndet werden. Eine effektivere Kontrolle würden diese Gesetze aber auch nicht erwirken. „Dafür braucht es deutlich mehr Transparenz und gut ausgestattete Ermittlungsbeamte. Sie und gemeinsame Regeln für eine grenzübergreifende Zusammenarbeit sind der Schlüssel zum Erfolg“, resümiert Albrecht.

Felix Weiß

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