Dieser Artikel erschien am 12. März 2013 auf EurActiv.de
Für seine Verdienste um die EU-Integration Rumäniens erhielt der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen die Ehrendoktorwürde der rumänischen Babes-Bolyai-Universität. Die Zeremonie wurde jedoch von Aktivisten gestört, die Verheugen Lobbyismus vorwerfen und den Nutzen des EU-Beitritts Rumäniens anzweifeln. Verheugen selbst sieht die Kritik gelassen.
Das Engagement Günter Verheugens für die EU-Integration Rumäniens wurde Ende Februar 2013 mit der Ehrendoktorwürde der Babes-Bolyai-Universität im rumänischen Cluj-Napoca honoriert. Unter dem ehemaligen Kommissionspräsidenten Romano Prodi war Verheugen von 1999 bis 2004 als Kommissar für die Erweiterung der Union zuständig. „Ich verstehe die Titelverleihung der Universität von Cluj als Anerkennung meines persönlichen Beitrages zum Gelingen der so genannten Osterweiterung 2004/2007, die auch Rumänien zu seinem rechtmäßigen Platz in der europäischen Familie verhalf“, so Verheugen gegenüber EurActiv.de.
Der ehemalige Chefunterhändler Rumäniens mit der EU, Vasile Puscas, lobte in seiner Laudatio den hohen Stellenwert, den Verheugen dem Erweiterungsprozess stets zukommen ließ. Die Beitrittsverhandlungen seien sehr eng von Verheugen begleitet wurden. Für den damaligen Erweiterungskommissar seien Rumänien und Bulgarien wichtige Akteure in der Stabilitätspolitik der EU für Südosteuropa gewesen. Ein rascher EU-Beitritt beider Staaten sollte auch eine positive Signalwirkung auf die Länder des Balkans entfalten. Auch der rumänische Ministerpräsident Victor Ponta, der der Zeremonie beiwohnte, würdigte Verheugens „grundlegendes Verdienst“ für die EU-Mitgliedschaft Rumäniens und bezeichnete ihn als „Gründungsvater der Idee eines europäischen Rumäniens“.
Vorwurf des Lobbyismus
Die Verleihung der Ehrendoktorwürde wurde jedoch von kritischen Stimmen begleitet. Während der Zeremonie wurde Verheugen von Aktivisten als „schmutziger Lobbyist“ bezeichnet. Die Kritiker spielten damit auf die Gründung der Beratungsfirma „The European Experience Company“ an, die Verheugen nach Ausscheiden aus der Kommission ins Leben rief. Als ehrenamtlicher Vorstand war seine neue Tätigkeit auch der EU-Kommission suspekt, die genaue Auskünfte zu dem neuen Arbeitsfeld einforderte.
Mit Losungen wie „Frack Yourself“ demonstrierten die Kritiker der Auszeichnung zudem gegen Verheugens Unterstützung der umstrittenen Schiefergasgewinnung. Ein weiterer Kritikpunkt war die Unterstützung der Biotechnologiebranche während seiner Amtszeit als Kommissar für Unternehmen und Industrie von 2004 bis 2010.
Auch Nina Katzemich von LobbyControl sieht Verheugens Engagement als Industriekommissar kritisch. So habe er sich „bei der CO2-Richtlinie für Autos oder bei der Chemikalienrichtlinie REACH sehr einseitig für die Interessen der Industrie eingesetzt – zum Schaden für Umwelt- und Gesundheitsschutz. Ich denke, die Autoindustrie liebt ihn bis heute dafür, dass sie in der Expertengruppe für den Bericht CARS21 unter ihm als Industriekommissar den ‚integrierten Ansatz‘ erfinden durfte, der die Last der Verantwortung für den CO2-Ausstoß von Autos auf zahlreiche Schultern verteilte“, so Katzemich gegenüber EurActiv.
„Ein demütigender Prozess“
Verheugen sah in dem EU-Beitritt Rumäniens die Chance zum Aufbau einer „freien, modernen und demokratischen Gesellschaft“ und konstatiert heute, dass sich das Land, „bei allen Schwierigkeiten, auf dem richtigen Weg befindet“. Seine Kritiker beurteilen die Situation völlig anders. Rumäniens EU-Integration stehe am Ende eines „demütigenden Prozesses“, der die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bedürfnisse Rumäniens unbeachtet gelassen hätte. Der Beitritt habe nicht zu Wohlstand und Entwicklung beigetragen, wie ein Blick in die rumänische Gesellschaft zeigen würde.
Verheugen begründet diese Einschätzung mit der Furcht vor dem „Brüsseler Diktat“ und gibt sich gelassen gegenüber der Kritik an seiner Person: „Generell finde ich es gut, wenn heute in Rumänien eine lebendige demokratische Kultur herrscht. Da bin ich sogar beinahe gern die Zielscheibe.“
Felix Weiß